Die AfD hat die Rote Linie überschritten
Die Corrective Affäre
Am 10. Januar 2024 veröffentlichte das Medienhaus Correctiv eine brisante Story: AfD-Politiker, Rechtsextremisten und Unternehmer hatten im November 2023 in der Nähe von Potsdam an einem Geheimtreffen teilgenommen. Ein “Masterplan” für die massenhafte Abschiebung aus Deutschland — auch von deutschen Staatsbürgern — soll besprochen worden sein.
AfD-Chefin Alice Weidel beendete die Zusammenarbeit mit ihrem persönlichen Referenten Roland Hartwig bereits wenige Tage nach der Correctiv-Enthüllung. Hartwig hatte an dem Potsdamer Treffen teilgenommen. Ebenfalls anwesend: Der AfD-Politiker Ulrich Siegmund. Er wurde in Sachsen-Anhalt als Ausschussvorsitzender abgewählt. Auch die CDU zog Konsequenzen: Die Partei brachte ein Ausschlussverfahren gegen CDU-Mitglied Wilhelm Wilderink auf den Weg. Er ist der Inhaber der Potsdamer Villa, in der das Geheimtreffen stattgefunden hat.
Frankreichs Rechtspopulistin Marine Le Pen distanzierte sich deutlich von der AfD und drohte mit einem Ende der gemeinsamen Fraktion im EU-Parlament. Auch ein Treffen mit Alice Weidel in Paris sowie ein Brief Weidels zum Gebrauch des Begriffs “Remigration” überzeugte Le Pen nicht. “Da bleiben viele Fragen ungeklärt”, sagte sie Ende Februar über das Dokument.
Die Recherche von Correctiv schlug in Deutschland hohe Wellen. Nicht nur Politiker, auch Prominente forderten ein Partei-Verbot der AfD. Eine Initiative sammelte mehr als 800.000 Unterschriften für die Prüfung eines Verbotsverfahrens.
Auch in vielen anderen größeren und kleineren Städten gingen Zehntausende auf die Straße. Sie riefen “Nie wieder ist jetzt” oder hielten Banner mit “Aufstehen für die Demokratie” in die Höhe.
Eine Woche nach Veröffentlichung der CORRECTIV-Recherche über das geheime Treffen von hochrangigen AfD-Politikern, Neonazis und privaten Unterstützern nehmen Hasskommentare und auch Drohungen gegen einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von CORRECTIV zu.
Es ist leider nicht überraschend, dass einzelne, oft anonyme Nutzerinnen oder Nutzer in sozialen Netzwerken Beiträge oder Kommentare verfassen, die nichts anderes als Beleidigungen enthalten. Zumal bei einer Recherche, die ein geheimes Treffen von Neonazis, hochrangigen AfD-Politiker und privaten Unterstützern der rechtsradikalen Szene aufgedeckt hat.
AfD-Chef Tino Chrupalla in der ARD-Talkshow „Maischberger“ die Recherchen des Netzwerks „Correctiv“ zu einem rechtsextremistischen Geheimtreffen in Potsdam mit Stasi-Methoden verglichen.
Zwei Sätze, die zumindest massive Fragen zu Chrupalla aufwerfen. Der AfD-Chef betont, dass das Treffen keine AfD-Veranstaltung gewesen sei und sagt über den dortigen Hauptredner: „Herrn Sellner kenne ich nicht.“
Das darf angesichts eines Satzes, den er nur wenige Minuten später sagt, zumindest angezweifelt werden: „Wenn mein Referent mich gefragt hätte, ob er dort hingehen soll, hätte ich ihm abgeraten.“ „Warum?“, fragt Maischberger. „Weil ich die Beteiligung von Herrn Sellner kritisch sehe“, antwortet Chrupalla. Das setzt allerdings voraus, dass er Sellner doch kannte.
Der AfD-Chef versucht sich danach noch an einer klaren Abgrenzung: „Und was er programmatisch noch dazu als Österreicher sagt, ist mit unserer Programmatik nicht vergleichbar. Und deswegen hat es auch keine programmatischen Auswirkungen auf unsere Partei“, sagte er.
Kurz nach dem Bekanntwerden der Recherche hatte bereits AfD-Co-Chefin Alice Weidel auf einer Pressekonferenz erklärt: „Es ist skandalös, wenn linke Aktivisten mit Stasi-ähnlichen Geheimdienst- und Zersetzungsmethoden eine private Zusammenkunft angreifen, um unbescholtene Bürger abzuhören und auszuspähen.“
Auf die Frage der Talkshow-Moderatorin, ob es sich wirklich um Stasi-Methoden gehandelt habe, antwortete Chrupalla: „Absolut, natürlich.“